Long Covid macht den Berufsalltag anstrengender
Wenn man sich mit dem Coronavirus infiziert hat, kann das für die eigene Gesundheit auch Langzeitfolgen haben. Dann spricht man vom Post-Covid-Syndrom oder kurz Long Covid. Erkrankte können bis über 12 Wochen noch nach überstandener Infektion mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen zu kämpfen. Das kann sich insbesondere im Berufsleben stark ausprägen.
In etwa jeder zehnte Mensch, der sich mit dem Coronavirus angesteckt hat, hat auch Wochen danach Beschwerden, die vielfältig sind. Das kann generelle Müdigkeit sein, aber auch Konzentrationsschwäche und kognitive Einschränkungen. Beschwerden im Magen-Darm-Trakt sind ebenfalls möglich. Bei der Rückkehr in den Berufsalltag kann dies zu Problemen führen, weshalb man nur langsam wieder einsteigen und sich nicht überfordern sollte.
Mehr Rücksicht für Betroffene
“Long Covid kann bei allen Infizierten auftreten, egal ob sie einen schweren oder milden Verlauf hatten. In den allermeisten Fällen wird von Müdigkeit berichtet, aber auch von Atembeschwerden, Kopfschmerzen und anhaltenden Geruchs- und Geschmacksverlust“, sagt Fachärztin für Arbeitsmedizin Henriette Pfeifer von Betriebsarztservice. „Daher empfehlen wir den betroffenen Mitarbeitern, sich die Zeit zu nehmen, um sich vollständig zu erholen, bevor sie in den vollen Arbeitseinsatz zurückkehren“. Über körperliche Belastungen redet niemand gern und doch ist es wichtig auf den eigenen Körper zu hören, insbesondere nachdem man eine Covid-Erkrankung durchgemacht hat. Betrieben wird empfohlen, mehr Rücksicht auf die Long-Covid-Symptome ihrer Beschäftigten zu nehmen. Auf den ersten Blick ist nicht immer ersichtlich, dass man krank ist oder einen Krankheitsverlauf hatte. Jedoch kann die innere Erschöpfung noch immer groß sein.
Corona-Infektion macht mehr als schlapp
“Es war körperlich und psychisch sehr anstrengend”, sagt Emil Neven*, ein in Berlin lebender Texter über seine Corona-Infektion im Juni 2021. “Ich war etwa neun Tage völlig K. O., musste mit Auf und Abs kämpfen und hatte von Kopf- und Gliederschmerzen über Fieber bis zu unglaublich starkem und nervigem Husten alles, was so ein Coronavirus bieten kann. Zum Glück landete ich nicht im Krankenhaus, aber es hat mich sehr viel Energie gekostet.” Noch drei Wochen nach überstandener Infektion war Neven mit Müdigkeit und geringer Leistungsfähigkeit konfrontiert. “Jede Aufgabe war irgendwie anstrengend und ich war auch psychisch irgendwie am Boden – und dass mitten im Sommer. Ich hatte Angst, dass sich das auf meine Arbeit auswirken würde und ich womöglich meinen Arbeitsplatz verlieren könnte.”
Arbeitspsychologen können helfen
Solche Angstzustände sind ernst zu nehmen. Wenn Menschen, die an Long Covid leiden, aufgrund der Befürchtung des Arbeitsplatzverlustes über ihre Belastungsgrenze gehen, kann das den Heilungsprozess verkomplizieren. Aus diesem Grund sollten Unternehmen mit betroffenen Beschäftigten sprechen, wie sie am besten in den Arbeitsalltag reintegriert werden können. Arbeitspsychologen können hier auch helfen, weil sich Mitarbeiter oft schämen, nicht die gewohnte Leistung erbringen zu können. “Es ist in solchen Fällen sehr wichtig, dass die Betroffenen mit einem Arbeitspsychologen darüber sprechen, denn nur so kann adäquat darauf reagiert werden. Es sollte nicht im Interesse des Unternehmens sein, die erkrankten Mitarbeiter stark zu fordern, weil das sonst zu gesundheitlichen Schäden und somit zu mehr Fehltagen führen kann”, erklärt Arbeitspsychologin Michelle Müller.
Betriebliches Eingliederungsmanagement kann notwendig sein
Wenn Beschäftigte aufgrund von Long Covid im Zeitraum von zwölf Monaten mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten. Dabei sollten Beschäftigte langsam in den Berufsalltag zurückgeholt werden. Ihre Aufgaben sollten der gesundheitlichen Situation entsprechen. Ein Angebot an therapeutischen Mitteln zur Eingliederung (Konzentrationsübungen, Meditation, Physiotherapie) kann den Prozess erleichtern und beschleunigen.
Die eigenen Grenzen erkennen
Für die Betroffenen selbst ist wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen und diese auch klar zu kommunizieren. Gegebenenfalls sollte man mit dem Arzt des Vertrauens darüber sprechen und dem Arbeitgeber auch Vorschläge unterbreiten, wie man mit der Situation besser zurechtkommt. “Long Covid ist nach wie vor ein relativ neues Thema. Studien werden in der Zukunft mehr Aufschluss darüber geben, wie sich die Folgen auswirken und wie Betriebe optimal darauf reagieren können”, so Müller. Den Betroffenen gilt es Mut zuzusprechen und ihnen dabei zu helfen, wieder zu alter Form zu kommen.
Fünf Tipps für den Umgang mit Long Covid im Betrieb:
- Betroffene fragen: Erkundigen Sie sich bei den infizierten und wieder genesenen Mitarbeitern, wie sie sich fühlen und ob sie fit genug sind, wieder die Arbeit aufzunehmen.
- Bieten Sie Hilfe an: Beispielsweise mit Unterstützung des Betriebsarztes und anhand von therapeutischen Methoden.
- Binden Sie die Arbeitspsychologen mit ein: Sie können ein Gespräch mit den Mitarbeitern führen und die Situation mit ihnen besser klären.
- Überfordern Sie die Mitarbeiter nicht: Bei Long-Covid-Symptomen kann man üblicherweise nicht sofort wieder die gewohnte Leistung erbringen.
- Aufgaben neu denken: Gestalten Sie mit Ihrem Mitarbeiter die Aufgaben neu, solange die Long-Covid-Symptome anhalten.
*Name auf Wunsch des Betroffenen von der Redaktion geändert.
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